Fahrscheingeber (Berlin, Hänel&Schwarz) |
Verkehrsseiten
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Dabei seit: 12.05.2011
Beiträge: 4
Herkunft: Ausgabeschale
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Fahrscheingeber (Berlin, Hänel&Schwarz) |
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Erstmal Hallo hier in dieses Forum. Ich möchte mich erstmal hier kurz vorstellen.
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Mit Automaten, der Leidenschaft des Sammelns von Automaten, habe ich erstmal eigentlich nichts zu tun. Ich betreibe mit einer Gruppe die Webseite zum Berliner Nahverkehr: www.berliner-verkehrsseiten.de , eine geschichtliche Betrachtung der Verkehrsentwicklung, der Fahrzeuge und Anlagen. Die Stadtgeschichte mit Krieg und Mauerbau zeichnete sich auch deutlich im Nahverkehr wieder. Es entstanden Kuriositäten von U-Bahnlinien West die unter Ostberlin hindurchfuhren sowie der S-Bahn, die unter Ostberliner Verwaltung stand und in Westberlin fuhr.
Autobuslinien, die die von Westberlin in das Umland zum normalen Stadttarif verkehrten und gut besucht wurden aber eigentlich kaum Fahrscheine verkauften, da die überwiegende Nutzergruppe kein Fahrgeld entrichten mussten (DDR-Bürger fuhren bis zum 31.12.1989 bei Vorlage des DDR-Reisepass frei). Oder einem Flughafenbus von Westberlin zum Ostberliner Zentralflughafen Schönefeld.
Seit Oktober beschäftigen wir uns mit der Thematik "Tarifwesen und Fahrscheine". Dabei stiessen wir immer wieder auf die verwendeten Fahrscheingeber. Dabei entstanden Fragen, die uns weder die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) (Firmenarchiv) haben beantworten können, noch das Berliner U-Bahnmuseum im U-Bahnhof Olympiastadion. Nun wurde mir dieses Forum hier empfohlen, evtl. Antworten oder Hinweise zu erhalten.
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Im städtischen Berliner Nahverkehr bis in die 60er (Westberlin vereinzelt bis 1978) Jahre verkauften die Schaffner die Fahrausweise. Im Autobus und der Strassenbahn erfolgte der Barverkauf direkt vom Schaffner im Fahrzeug nach dem Zutritt in das Fahrzeug. Eine Umhängetasche für das Geld, ein Klemmbrett mit den Fahrscheinen (Block, durchnummeriert). Nach Dienstende wurde abgerechnet, anhand der durchnummerierten Fahrscheine liess sich der Einnahmebetrag ermitteln. Da je nach Tarifperiode 7, teilweise 15 verschiedene Sorten verkauft wurden (Teilstreckenfahrscheine, Ermässigungen, Zuschläge, ...) eine zeitaufwendige Angelegenheit nach der eigentlichen Arbeit.
Um diese Arbeitszeit der Abrechnung zu verkürzen, suchte der Verkehrsbetrieb (bereits vor der Gründung der BVG durch die vorherige "Große Berliner Straßenbahn Gesellschaft" begonnen) nach Alternativen. Firmen wie AEG, Hänel&Schwarz und auch Klüssendorf präsentierten immer wieder "mobile Fahrscheingeber", über Zahlenräder wurde der Tarifpreis eingegeben, die Kurbel seitlich am Kasten gedreht, und der Fahrschein (Papierrolle) wurde aufgedruckt. Ein Zählwerk summierte die ausgegebenen Werte. So ist die Abrechnung deutlich vereinfacht worden.
Zu diesen Versuchen (die sich nicht dauerhaft durchgesetzt hatten) habe ich zwei bebilderte Artikel gescannt und im der Webseite begleitenden Online-Archiv unter den Signaturen F_014 und F_015 abgelegt.
Im Bereich der Hoch- und Untergrundbahn wurden bis in die 20er Jahre Edmonsische Pappkarten verwendet. Die Schaffner nennen sich hier "Bahnhofsschaffner", fahren nicht wie bei Bus+Strassenbahn mit den Zügen mit, sondern jeder Zugang eines Bahnhofes hat mind. eine Fahrscheinausgabe. Verkauften hier die Fahrausweise. Aufgrund der Menge und Vereinfachung der Abrechnung wurden hier ab Ende der 20er Jahre Fahrscheingeber verwendet. Ähnlich der mobilen "Umhänge-Kurbelautomaten" im Oberflächenverkehr (Bus&Strassenbahn) gelangten hier stationäre Geber zum Einsatz.
Diese stationären Kurbelautomaten haben es mir sehr angetan. Im Zuge der Aufarbeitung des Themas rund um die Fahrscheine ist zu erfahren gewesen, dass diese Fahrscheingeber in Westberlin bis Mai 1988 verwendet wurden.
Die Fahrscheine sahen wie folgt aus:
Im Berliner U-Bahnmuseum im U-Bahnhof Olympiastadion befinden sich zwei stationäre Fahrscheingeber, ein einfacher, ein dopppelter:
Das Prinzip sieht recht simpel aus: Je Tarifart eine andersfarbige Papierrolle, durch die Kurbelumdrehung erfolgt der Aufdruck (auch sogleich die Entwertung, also Betriebstag / Uhrzeit) und ein Zählwerk erfasst die Ausgabemenge.
Nun stellen sich einige Fragen:
-> Im U-Bahnmuseum befinden sich nur zwei Geräte, beide vom Hersteller Hänel&Schwarz. Ist es korrekt, dass diese Firma nach 1945 nicht mehr produziert hat?
(Fabrikschild einer der beiden Fahrscheingeber aus dem U-Bahnmuseum)
-> Haben auch andere Verkehrsbetriebe diese stationären Fahrscheingeber verwendet (bspw. Hamburger Hochbahn)?
-> Ist euch eine Anwendung zur Ausgabe von Eintrittskarten bspw. im Kino- oder Museumsbereich bekannt?
-> Sind euch irgendwo anders noch heute existierende Geräte bekannt?
-> Wurden in Berlin bei den U-Bahn Fahrscheinausgaben nur Geräte dieses Herstellers verwendet?
-> Wir suchen eine Bedienungs- oder Wartungsanleitung dieser Geräte (digitaler Scan genügt)
-> Und natürlich die wohl schwierigste Frage: Ideen wo man ein derartiges Gerät heute aufkaufen könnte? Wahrscheinlich Zufall, irgendwo auf dem Trödelmarkt derartiges zu finden.
Ich hoffe der Beitrag hat gefallen, war nicht zu lang und doch eine kleine Exkursion in die Reise der Fahrscheingeber Berlin.
Die Gesamtbetrachtung des bisher erarbeiteten Thema ist hier schon zu sehen:
Berliner Verkehrsseiten -> Online-Archiv -> Fahrkartensammlung . Auf die späteren Verkaufsautomaten gehen wir nicht weiter ein. Bekannt ist nur, dass Klüssendorf hier bis Anfang der 90er Jahre hier gute Geräte lieferte (sowie auch die Entwertergeräte für den Stempelabdruck). In der Mustersammlung finden sich die verschiedenen Fahrscheine der Automatenenticklung. Faszinierende technikbegeisterung kann ich aber nur bei den Fahrscheingebern entdecken ...
Freue mich auf Antworten, Hinweise oder Ergänzungen, alles was euch einfällt
Gruß Markus
Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von Verkehrsseiten: 13.05.2011 10:37.
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13.05.2011 10:33 |
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WD-Sammler
Mitglied
Dabei seit: 21.09.2009
Beiträge: 715
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Hallo,
vielen Dank für den sehr interessanten Bericht.
Ein paar Fragen kann ich euch beantworten.
1) Die Firma Hänel produzierte auch noch nach dem zweiten Weltkrieg.
In der Zeitschrift Automatenmarkt N°1 von 1951 findet man einen Artikel, in der diese Firma genannt wird. Der Bericht ist in einem anderem Thema schon veröffentlicht, hier der Link veröffentlicht am 31.12.10. Glaube aber nicht, dass diese lange überlebet, evtl. verkauft.
2) Die Firma produziete diverse Automaten, u.a. Sparautomaten ( Link)
3) Die Firma hat auch die S-Bahnfahrkartenautomaten hergestellt (nach Angaben der S-Bahn ca. 1936 für die Olympischen Spiele) - Link
4) Unterlagen - Leider habe ich auch keine und bin auch auf der Suche, aber beim Deutschen Patentamt findet man etwas.
Bei dem Schaffner mit dem Mobilengerät könnte es sich auch um ein Hänel-Gerät handel. Das Patent trägt die Nummer DE000000567704A
Hier Link für die Suchseite beim Patentamt.
Als Anlage man die Trefferliste für "Curt Haenel".
Dort findet ihr sicherlich ein Info. Bei dem Firmenschild steht ausserdem, das ein Patent für das gesuchte Gerät angemeldet wurde, kann aber sein, dass es nicht vergeben wurde. In diesem Fall, kann es sein, dass diese Unterlagen nicht digitalisiert wurden. (gilt auch für Gebrauchsmuster, sind nicht immer verfügbar)
Zu dem Logo kann ich nur sagen, dass es in den 30er anders war, evtl. stammt der gesuchte Fahrscheindrucker aus den 20er. Curt Hänel hat schon vor WK I Patente angemeldet.
Bis dahin,
Jens
PS: Bei Fragen einfach E-Mail an mich.
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14.05.2011 10:06 |
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Cleantex
Moderator
Dabei seit: 14.04.2008
Beiträge: 9.473
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Ich habe ebenfalls nochmal die ganzen Automatenmarkt-Hefte durchsucht.
Automatenmarkt N° 04 vom Juni 1950
Automatenmarkt N° 10 vom Oktober 1952
Automatenmarkt N° 12 vom Dezember 1958
__________________ Viele Grüsse
Armand
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14.05.2011 10:53 |
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WD-Sammler
Mitglied
Dabei seit: 21.09.2009
Beiträge: 715
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Hallo Armand,
schöne Dokumente! Jetzt kann ich meine Homepage um diese Info ergänzen.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, ob mein Sparautomat ein Vorkriegs- oder Nachkriegsprodukt ist. Wird sich wahrscheinlich nicht klären lassen.
Die Zeichnung auf der Werbung dürfte vor dem WK II entstanden sein, in glaube in den 50er hätte man solche Zeichnungen nicht mehr gezeichnet. Wer weiß?
Jens
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14.05.2011 11:07 |
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WD-Sammler
Mitglied
Dabei seit: 21.09.2009
Beiträge: 715
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Ergänzung:
Auf meinem Automaten steht als Adresse "Lahnstraße, Neukölln", diese dürfte auf alle Fälle die Adresse vom vor dem WK II sein. Evtl. kann man drüber den Automaten datieren.
Schön wäre es nun zu wissen, wann sich die Adresse sich geändert hat. Im Zuge des WK II oder schon früher.
Was mich auch wundert ist die Aussage, dass die Russen die Firma demontiert hätten, haben die auch in den Westsektoren demontiert, oder direkt nach dem Sieg, bevor die anderen kamen?
Jens
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14.05.2011 11:18 |
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Verkehrsseiten
Mitglied
Dabei seit: 12.05.2011
Beiträge: 4
Herkunft: Ausgabeschale
Themenstarter
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Erstmal vielen Dank für die vielen Hinweise. Da sind schon feine Hinweise dabei, die mich die nächsten Tage beschäftigen werden. Super, vielen Dank (freue mich natürlich auf weitere Hinweise).
Zitat: |
Was mich auch wundert ist die Aussage, dass die Russen die Firma demontiert hätten, haben die auch in den Westsektoren demontiert, oder direkt nach dem Sieg, bevor die anderen kamen? |
Ja. Die Russen nahmen Berlin ein, zum Zeitpunkt des Kriegsendes standen die Amerikaner erst an der Elbe. Von Mai bis September war Berlin unter sowjetischer Verwaltung, der erste Stadtkommandant N. Bersarin legte die ersten Steine für die Wiederherstellung der öffentlichen Stadtstrukturen.
Die Reparationsleistungen wurden in ganz Berlin von den Sowjets entnommen. Dabei wurden zahlreichen Bahnstrecken das zweite Gleis entnommen, Maschinen der Fabriken abtransportiert. Nachdem die Amerikaner Berlin erreichten und ihre Stadtkommandatur aufbauten, bezog sich der Abbau der Anlagen nur noch auf den sowjetischen Sektor.
So wurden sogar von der Ostberliner U-Bahnlinie E (heute U5) 120 U-Bahnwagen des damals modernsten Typs C nach Moskau gebracht, um sie dort auf der Metro einzusetzen. Viel Freude hatte man dort jedoch nicht mit der Kriegsbeute, da es an Ersatzteilen nach deutscher Norm fehlte. Sie fanden nach Umbau als Lokomotive für Arbeitszüge bis in die 70er Jahre verwendung.
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14.05.2011 11:37 |
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WD-Sammler
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Dabei seit: 21.09.2009
Beiträge: 715
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Hallo Markus,
gibt es schon etwas neues in Sache Fahrscheinautomaten?
Jens
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04.07.2011 18:13 |
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WD-Sammler
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Dabei seit: 21.09.2009
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23.10.2011 11:44 |
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WD-Sammler
Mitglied
Dabei seit: 21.09.2009
Beiträge: 715
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Hallo,
sehr schöner Bericht!!!
Werde mal meinen Fahrscheingeber genauer untersuchen. Evtl. findet man dort Hinweise zu dem Hersteller.
Jens
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17.01.2015 17:37 |
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WD-Sammler
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Dabei seit: 21.09.2009
Beiträge: 715
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Interessante Zeitung! Findet man dort mehr Infos über Automaten?
Jens
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18.01.2015 16:11 |
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